„Hasta la vista, Baby!“
(Arnold Schwarzenegger als Terminator im gleichnamigen Hollywood-Film von)
Ach, was haben wir uns gegruselt vor der Mensch-gewordenen Maschine, die als Zeitreisender aus einer trostlosen Zukunft in die Gegenwart des Jahres 1990 reist, um einen künftigen Hauptfeind der Maschinen-beherrschten Welt zu beseitigen, bevor er in der Zukunft für Aufstände der unterdrückten Menschen gegen die Herrschaft der Maschinen sorgen kann. Natürlich, es ist eben ein Hollywood-Film, schafft es der Terminator nicht, den Mensch zu besiegen; gleichwohl, das düstere Zeitalter zieht dennoch herauf.
Der Film „Terminator“ (und seine Fortsetzungen) waren allesamt Kassenschlager, aber nicht eben für ein intellektuell anspruchsvolles Publikum. Science Fiction taugt nur selten für Filmpreise in Cannes und Venedig, noch dazu, wenn ein futuristischer Conan, der Barbar, muskelbepackt, aber schweigsam, mit allerlei schwerem Gerät Los Angeles unsicher macht. Und außerdem: Die Geschichte war doch auch allzu weit hergeholt. Eine Zeitreise aus einer von Maschinen beherrschten, trostlosen Welt; wer konnte sich anno 1990 so etwas schon vorstellen?
Am 12. Oktober 2014 hat der Internet-Aktivist Jaron Latier den Friedenspreis des deutschen Buchhandels überreicht bekommen, für sein Buch „Wem gehört die Zukunft?“ und seine kritischen Ausführungen über die Bedrohungen des Internet-Zeitalters. Dabei ist Latier in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Er entstammt mütterlicherseits einer Wiener Familie, die zu einem großen Teil von den Nazis vernichtet wurde. Er ist ein Kind des Silicon Valleys, d.h. er ist im Gegensatz zu den meisten, die sich kritisch zur Digitalen Revolution äußern, ein absoluter Insider. Er hat mit Freunden eine Internet-Firma an Google verkauft und forscht auf einem von Microsoft finanzierten Projekt bzw. Forschungs-Lehrstuhl. Er macht Musik und schreibt Bücher.
Ja, ein Internet-Aktivist schreibt Bücher, noch dazu Internet-kritische Bücher. Dabei kritisiert er nicht das Internet, dessen segensreiche Wirkung er sehr wohl zu schätzen weiß, sondern den allzu sorglosen Umgang mit den Daten der Internet-Nutzer. Im Gegensatz zu den meisten von uns kennt er die Labore großer Internet-Firmen, in denen Algorithmen entwickelt werden, um aus den Nutzungsdaten von Milliarden von Menschen wirtschaftliche Vorteile zu ziehen. Mehr noch: Latier weist mit großer Beharrlichkeit auf die sich immer weiter entwickelnden Möglichkeiten der Verhaltensbeeinflussung dieser Technologie-Konzerne hin, die sich systematisch jeder staatlichen Kontrolle entziehen. Warum schreibt dieser Mann Bücher (und warum erhält er einen Preis vom deutschen Buchhandel?)?
Seine Rede anlässlich der Preisverleihung war u.a. ein bewegendes Plädoyer für Bücher. Und seine Begründung war intelligent und bedeutsam. Die „Logik“ des Internets, so Latier, ist das Herausfinden zumindest hinreichend großer, homogener Nutzergruppen. Dazu werden Nutzerdaten in Computern durchgearbeitet, um Verhaltensmuster zu erkennen, die geschäftlich genutzt werden können, etwa durch Zielgruppen-gerechte Produkte. Minderheiten-Meinungen interessieren dabei natürlich nicht, denn sie sind nicht wirtschaftlich relevant.
Beim Buch ist das anders. Wer ein Buch liest, tritt mit dem Autor, dem Mensch hinter dem Buch, in eine Beziehung. Er lässt zu, dass alle Facetten dessen, was der Autor zu sagen hat, an ihn als Leser herangetragen werden. Und der Leser seinerseits ist bereit, das Gelesene zu beurteilen, unabhängig davon, ob eine Leser-Mehrheit eine andere Meinung vertritt oder nicht. Damit hat das Buch, so Latier weiter, immer wieder wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung der Menschheit geleistet, eben weil es dem Individuum und seiner Meinung einen Raum gibt.
Es sind diese zwei Eigenschaften der digitalen Entwicklung, die wir mit Vorsicht und Umsicht bewerten müssen, die konsequente Ausrichtung an der „Masse“ und deren Beeinflußbarkeit. Für die etablierten Anbieter von Finanzdienstleistungen, also z.B. die klassische Regionalbank, sind Finanzportale ein Ärgernis, denn sie reduzieren die Dienstleistung auf einen Preisvergleich. Finanzportale sind typische Meinungsmacher im Internet-Zeitalter; sie beeinflussen Menschen, z.B. damit, dass sie die „besten“ Kreditanbieter auswählen, allerdings eben reduziert auf den Preisvergleich. Mehr noch: Sie suggerieren Qualität und Nutzen durch Ranglisten, die auf Analysen von Nutzerverhalten basieren. Und sie scheinen unaufhaltsam zu sein.
Es gibt eigentlich kein Gespräch, das ich mit einem Bankvorstand führe, in dem nicht neben der Regulatorik das angeblich veränderte Kundenverhalten angesprochen wird. Es ist gleichermaßen die Faszination und die Angst vor der digitalen Welt, die diese Gespräche prägt. Viele berichten von Erfahrungen mit ihren Kindern, die gar nicht mehr wüssten, was eine Bank eigentlich ist und wofür man sie braucht. Daher werden freie Mittel in die Vernetzung der digitalen Zugangswege zur Bank investiert; vom „Multi-Channel“ über die „Digital Journey“ zum“ Cross Channel“ und vielleicht noch weiter zum „Omni-„ oder „Mega-Channel“.
Und dabei ist wieder sehr häufig das Phänomen zu beobachten, das Karl Popper als „Historizismus“ bezeichnet, nämlich die Kapitulation vor der scheinbaren Unaufhaltsamkeit der sich abzeichnenden Veränderungen. Es gibt viele Studien, die das Ende des klassischen Bankgeschäfts vorhersagen, und es gibt viele Studien, z.B. von Eurogroup Consulting, die zeigen, dass die Menschen nach wie vor sehr gerne mit anderen Menschen kommunizieren, auch und gerade beim Bankgeschäft. Selbst Amazon will jetzt Shops eröffnen.
Es ist diese mangelnde Bereitschaft, sich einer Entwicklung anzupassen, ohne sich selbst aufzugeben, die mir Sorgen macht. Es ist vergleichsweise einfach, die Zukunft des Bankgeschäfts im digitalen Kontakt zu sehen, Filialen zu schließen und auf die digitale Vernetzung zu setzen, weil das zur Zeit aus allen Lautsprechern schallt. Eine große Geschäftsbank in Deutschland hat ja gerade auch ihr Scheitern im Filial-gestützten Bankgeschäft mit der These zu kaschieren versucht, die Zukunft läge ja ohnehin im digitalen Kontakt mit dem Bankberater. Ich bin gespannt, was die Top-Manager dieser Bank sagen werden, wenn sie feststellen, dass die vielen Millionen, die sie in die Cross-Channel-Erreichbarkeit ihrer Berater investiert haben, dazu führen, dass ihre Berater jetzt zwar top-erreichbar, aber weitgehend unmotiviert sind, eine ebenso tolle Beratung anzubieten, weil es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch sie aus Kostengründen abgebaut werden müssen. Es ist dann wie auf der Autobahn, die auf dem Feldweg endet.
Es braucht mehr Manager, vor allem in Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken, die erkennen, welche gigantische Chance in diesem digitalen Zeitalter liegt. Alle algorithmisch ermittelten, Segmentanalytisch-basierten, technisch vorselektierten Vertriebsmodelle können doch immer nur abbilden, was die Kunden schon wissen. Wenn man den Bedarf eines Kunden technisch-steril aus der Analyse von Kundenverhalten ableitet, daraus Ansprache-Logiken und -Prozesse herleitet, um vorkonfigurierte Produkte an den Kunden zu bringen, dann ist man als Sparkasse oder Genobank bald überflüssig, weil das alle Finanzkonzerne auch können, nur besser. Auch eine schicke App ist da keine Lösung.
Im digitalen Zeitalter gibt es nach wie vor einen echten und möglicherweise wachsenden Bedarf an persönlichem Kontakt. Aber der persönliche Kontakt ist nicht mehr primär der Service-Charakter, wobei eine gute Betreuung schon mit dem guten Service beginnt. Beratung muss Nähe, aber auch das positiv Überraschende enthalten. Würden Sie einen Unternehmensberater engagieren, von dem Sie wissen, dass er immer nur das aufschreibt, was Sie ihm sagen? Ich weiß, dass das noch oft genug geschieht, aber es ist nicht das eigentliche Wesen der Beratung. In der Beratung zählen Engagement, Fachkenntnis und Produktqualität; das sind die notwendigen Bedingungen, und dazu zählt auch die Multikanal-Fähigkeit. Vor allem aber zählt die Fähigkeit, dem Kunden ein wirkliches Erlebnis zu bereiten, zum Kern künftigen Unternehmenserfolg (hinreichende Bedingung).
Viele Menschen misstrauen den anonymen Mächten in den Zentralen der großen Internetfirmen; Jaron Latier und andere sind vielleicht nur der Anfang von einem differenzierten Bild der neuen Technologien und Netzwerke. Vor allem Regionalbanken müssen verstehen, dass sie nicht über Anonymität, sondern über persönliches Engagement den Kunden begeistern können (und müssen). Es gibt sehr viele Möglichkeiten, Kunden zu überraschen und zu begeistern. Sich um die Menschen in der Region kümmern, innovative Lösungen finden, flexibel sein, personifizierte oder regionale Produkte und Mehrwert-Produkte entwickeln und erkennbar in der Region verankert sein; das sind einige von vielen
Ansätzen, die erfolgreiche Banken schon heute täglich tun. Und ich prognostiziere, dass sich diese Banken in den kommenden Jahren deutlich besser schlagen werden als diejenigen, die auf die digitale Anonymität setzen.
Wir sind dem „Netz“ nicht ausgeliefert. Wir dürfen nicht zulassen, dass es uns dominiert, vor allem im Denken, nur weil wir bequem sind. Lesen Sie einmal ein gutes Buch, und Sie werden feststellen, wie lohnend es ist, sich auf einen anderen Menschen und seine Gedanken einzulassen. Regionalbanken können sich als Ort definieren, wo sich Menschen treffen, um über wichtige Dinge zu sprechen. Das bedeutet natürlich, dass die Bank auch über Menschen verfügt, die willens und in der Lage sind, diesen Dialog zu suchen und zu führen.
Manchmal höre ich, dass die „junge Generation“ das persönliche Gespräch nicht suchen würde und man alleine deshalb schon digital sein müsse. Ich kann es nicht beurteilen, aber nehme an, dass solche Aussagen überwiegend von Menschen stammen, die selbst keine oder wenig Erfahrungen mit der jungen Generation haben.
Vielleicht ist ja doch „Hollywood“ für das ein oder andere gut. Die Terminatoren wurden jedenfalls am Ende besiegt. Dabei steht der Begriff des „Terminators“ sicher nicht für das digitale Zeitalter an sich mit seinen vielen faszinierenden Entwicklungen, sondern eher für die mangelnde Aufmerksamkeit sowie den vorauseilenden Gehorsam, den manche Übereifrigen an den Tag legen. Sich zurücklehnen, ein gutes Buch wie das von Jaron Latier lesen, seine eigene Sicht entwickeln und doch bereit sein, diese wieder auf den Prüfstand zu stellen; das sind nach wie vor die Erfolgsfaktoren.
„Hasta la vista, Baby“.
Ich wünsche Ihnen alles Gute für die kommende Zeit der Besinnung sowie die Erholung, um mit Kraft und Zuversicht das neue Jahr anzugehen. Wir freuen uns auf viele tolle Kontakte mit Ihnen im kommenden Jahr.