„… and they think it will make their lives easier, for God knows up till now it`s been hard, but the game never ends when your whole world depends, on the turn of a friendly card“
(Alan Parsons Project)
Es gibt eine Fangfrage, die man Novizen in der Informationstechnologie gerne stellt. Man fragt, wann denn der beste Zeitpunkt sei, einen neuen Großrechner zu kaufen. Wenn man weiß, dass Großrechner bezüglich der Verarbeitungsvolumina großer Datenmengen aufgrund technologischen Fortschritts immer effizienter und damit günstiger werden, lautet die theoretisch richtige Antwort: niemals. Denn wenn man sich entscheidet, zu kaufen, kann schon kurz danach objektiv festgestellt werden, dass es (rein Preis-bezogen) besser gewesen wäre, noch etwas zu warten.
Ähnlich komplexe Fragen muss bspw. auch eine Airline beantworten. Wann wird das über viele Jahre zuverlässige Fluggerät, das immer aufmerksam gewartet und mit vielen Neuteilen permanent verbessert wurde, zum Risikofaktor? Man kann immense Investitionen schieben und darauf hoffen, dass alles gut geht. Man kann sich auf Statistiken verlassen, die aber nur so gut sind wie die Güte der zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeits-Verteilungen.
Top-Management bedeutet, mehr Geld zu bekommen als andere Mitarbeiter und Führungskräfte im Unternehmen. Das bedeutet aber auch, dass man die besonders wichtigen Entscheidungen treffen muss. Entscheidungen, die unter Unsicherheit getroffen werden müssen und die in der Regel erhebliche Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Unternehmens haben. Und das geschieht in einer Umgebung, in der es immer mehr Schwarze-Schwan-Phänomene gibt, d.h. unvorhersehbare Ereignisse.
Und natürlich Besserwisser, d.h. diejenigen Prüfer, Analysten, Eigentümer- und Mitarbeiter-Vertreter, die jede Entscheidung penibel auf ihre Richtigkeit und Angemessenheit beurteilen. Natürlich erst, nachdem sich schon gezeigt hat, welche Entscheidung die richtige gewesen wäre. Man hätte doch schließlich wissen müssen, dass und vor allem, wann die Immobilienblase platzen und was mit Lehman passieren würde.
Wie gut, möchte man meinen, haben es da die Älteren, die das Ende ihrer beruflichen Karriere in greifbarer Nähe sehen. Wer über viele Jahre die Geschicke einer Bank erfolgreich gelenkt hat, verspürt naturgemäß wenig Neigung, alles Geschaffene kurz vor Schluss auf den
Prüfstand und damit in Frage zu stellen. Zudem kann es in den vergangenen Jahren durchaus ein Erfolgsfaktor gewesen ein, nicht jede Management-Mode mitgemacht zu haben.
Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als man überall hörte, das Girokonto könne nur noch kostenlos sein, sonst hätte es keine Zukunft? Es gab ganze Institutsgruppen, die mit dieser Strategie lange sehr gut gefahren sind. Und es gab Institute, die in „vorauseilendem Gehorsam“ alle ihre Kunden auf kostenlose Kontoführung umgestellt haben. Heute sind die meisten Regional-Institute froh, Gebühren erheben zu können, denn es gibt nicht mehr so viele andere Einnahmequellen.
Es ist also durchaus nachvollziehbar, dass manch erfahrener Manager gerne abwarten möchte, bevor man grundsätzliche Arbeiten in Auftrag gibt. Man versucht dann lieber, mit kleinen, sequentiellen Schritten graduelle Verbesserungen vorzunehmen, um damit auch immer wieder einmal den Druck vom internen (Veränderungs-) Kessel zu nehmen.
Und so mancher Vorstand rechnet schon die Wahrscheinlichkeit aus, mit der es für ihn noch klappen könnte, auszuscheiden, bevor die schlimmsten Hochrechnungen Realität werden können. In Österreich würde man sagen: „Es geht sich vielleicht noch aus!“
Diejenigen, die sich diese oder ähnliche Fragen stellen, sollten sich einen Augenblick vorstellen, sie wären Anfang vierzig und stünden am Beginn ihrer Vorstands-Verantwortung. Sie sollten sich daran erinnern, was sie zu Beginn ihrer Verantwortung glaubten, anpacken und verändern zu müssen, und ob sie das Glück hatten, auf erfahrenere Kollegen zu treffen, die sie anpacken ließen.
Das Bewährte zu bewahren funktioniert so lange, bis die Rahmenbedingungen grundlegende Veränderungen erfordern. Genau dies ist in der heutigen Zeit der Fall. Insbesondere für Regionalinstitute ist die strategische Herausforderung glasklar. Wenn die klassischen Ertragsquellen wie Depot-A, Zinsergebnis und günstige Wertberichtigungs-Quoten (um nicht Dividenden aus Verbundunternehmen anführen zu müssen) versiegen, müssen Marktpotenziale besser ausgeschöpft und Kostenstrukturen optimiert werden. Das ist die Richtung, und zwar die einzig mögliche.
Ich beobachte sehr häufig, dass die behutsame Art, mit der ältere Generationen gewohnt waren, „ihre“ Unternehmen zu steuern, dazu führt, dass sich das Führungs-Umfeld nicht zutraut, grundlegende Fragen anzusprechen, weil es dann schnell den Anschein hat, man stelle den Führungsanspruch oder die handelnden Personen hinsichtlich ihres Lebenswerks in Frage. In diesen Häusern hört man hinter vorgehaltener Hand heftige Kritik, findet aber keinen Weg, Lösungsvorschläge vorzutragen. In einem solchen Umfeld gedeihen Schuldzuweisungen an die Politik, die Verbände, die Verbundunternehmen und andere, nur um von den eigenen Herausforderungen abzulenken.
Den „Alten“ fällt das oftmals selbst nicht so stark auf, denn immer gibt es auch Führungskräfte in deren Umfeld, die gegen Veränderungen eingestellt sind und daher auch bewahren wollen.
Wer aber in diesen Zeiten der turbulenten Veränderung, in der viele Gesetze nicht mehr gelten, die bislang immer galten, bewahren möchte, der muss anpacken und verändern. Wer sich nicht bewegt, wird von Markt und Wettbewerb verändert, denn die volle Wettbewerbsfähigkeit wird nur dasjenige Institut erhalten, das sie immer weiter entwickelt. Das bedeutet bspw. für Regional-Institute, jetzt endlich und konsequent den Umstieg vom Bring- zum Holgeschäft zu realisieren. Wie bringt man die Bank zum Kunden?
Genau das können die „Jungen“ besser denken als die „Alten“. Die „Alten“ müssen den Freiraum geben, auf Risiken hinweisen und Sicherheitsleinen ziehen; vor allem aber müssen sie die Jungen antreiben, zu sagen, was sie denken und zu probieren, wovon sie überzeugt sind. Es gibt Vorstandsvorsitzende, die noch wenige Jahre vor ihrer Pensionierung umfassende Restrukturierungs- und Mobilisierungsprojekte angestoßen haben, weil es ihnen nicht so sehr um ihr Wohlbefinden geht, sondern um ihr Lebenswerk, das ja mit ihrem Ausscheiden nicht enden soll.
Das wesentliche Merkmal „großer“ Unternehmenslenker ist ja die Unterordnung der eigenen Ziele unter diejenigen des Unternehmens. Da das Unternehmen aber möglichst kraftvoll weiterleben muss, auch wenn der erfahrene Schlachtenlenker von Bord geht, gilt es, frühzeitig die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft zu schaffen anstatt dem im Weg zu stehen.
Wenn also angepackt werden muss, dann sollten die „Alten“ die „Jungen“ machen lassen, denn es ist deren Zukunft, um die es geht. Am besten ist es natürlich, wenn man sich in einem Führungs-Team offen und ehrlich jede Meinung sagen kann. Die Qualität von zu treffenden Entscheidungen steigt naturgemäß an, je vielfältiger die Aspekte sind, die von verschiedenen Personen eingebracht werden. Dieser Freiraum für Auseinandersetzungen muss von der Autorität, also den „Alten“, geschaffen, befördert und entwickelt werden. Nur so ist übrigens auch zu gewährleisten, dass die junge Generation diejenigen Fehler nicht macht, die durch Einbeziehung der erfahrenen Kollegen verhindert werden könnten. Das erfordert Kommunikation, vor allem aber Disziplin.
Albert Einstein hat einmal gesagt: „Wir können die Probleme nicht mit den Methoden lösen, die zu ihnen geführt haben.“ Meine Interpretation ist, dass man sich selbst immer wieder sehr kritisch hinterfragen können sollte. Darauf zu hoffen, dass man doch Glück hat, dass die „friendly card“ kommt, ist eine Form von Fluchtreflex. Auch das lange Analysieren, Planen und Konzipieren von „strategischen Konzepten“ ist in vielen Fällen nur Baldrian für die Seele und dient vor allem dazu, Zeit zu gewinnen. Aber wofür?
In diesen Zeiten brauchen wir „Macher“, Manager, die Dinge angehen oder zumindest angehen lassen. Das „Machen“ hat vor allem den Vorteil, dass sich ziemlich schnell herausstellt, was funktioniert und was nicht. Hüten Sie sich vor mehrjährigen Entwicklungsprogrammen, an deren Ende das Himmelreich versprochen wird, denn Sie können ziemlich sicher sein, dass, wenn Sie ankommen sollten, der Himmel schon wieder woanders ist.
Wir müssen schnell sein, Kunden kontaktieren und akquirieren, Strukturen in Frage stellen und die Unternehmer im eigenen Unternehmen fördern. Probieren Sie Dinge aus, und wenn es nicht funktioniert, beenden Sie sie wieder, um etwas anderes auszuprobieren. „The road to success is always under construction“ sagen die Amerikaner, und in diesen Dingen kennen sie sich aus.
Das alles soll kein Plädoyer für hemmungslose Veränderungswut sein, denn alles hat seine Grenzen. Insgesamt aber sind wir in der Finanzbranche eher zu zögerlich als zu forsch, weshalb ein „Mehr“ an „Machen“ sicher nicht übertrieben ist.
Abwarten ist kein Konzept; es braucht zwar nicht zu allem erst einmal ein Konzept, aber wer wartet, läuft Gefahr, den sprichwörtlichen Zug zu verpassen. Ich habe gelernt, dass in jedem Unternehmen genügend Leute wissen, wo man steht und was zu tun wäre. Leider erhalten sehr oft genau diese Leute nicht das Gehör, das sie verdienen. Es ist also in den seltensten Fällen so, dass ein ganzes Unternehmen nicht weiß, wohin man steuern sollte.
Es ist die Pflicht der Top-Manager, Entscheidungen zu treffen und Veränderungen herbeizuführen. Dazu sollten sie ein offenes Ohr für die Ideen und Fragen der jungen Leute im Unternehmen haben. Unternehmen, in denen sehr Wenige für sehr Viele denken und entscheiden, sind fragil, denn wenn dann Dinge nicht oder die falschen Dinge getan werden, ist ein Unternehmen oft nicht mehr zu retten.
Also, das Leben mag einfacher sein, wenn man auf die richtige Karte wartet, aber es spricht vieles dafür, dass es auch mit harter Arbeit gehen könnte. Ich habe jedenfalls gelernt, dass die Chance im Lotto 1:140 Millionen beträgt. Da nehme ich lieber den Spaten in die Hand.
Herzliche Grüße aus Brand
Hans-Dieter Krönung