„Heute ist die gute alte Zeit von morgen“
(Karl Valentin)
Die Finanzverbünde spielen im deutschsprachigen Raum nach wie vor eine dominante Rolle, jedenfalls dann, wenn man die Marktanteile im klassischen Retailgeschäft als Grundlage nimmt. Dies ist seit vielen Jahren ein großes Ärgernis für die Großbanken, die in Deutschland und Österreich nur Marginalanbieter sind, weil sie jeweils Marktanteile von deutlich unter 10% erzielen.
Während sich in anderen großen Finanzmärkten wie etwa in Großbritannien, Frankreich, Spanien oder Italien die großen Banken den Kuchen weitgehend aufteilen können und somit über eine starke Stellung im Heimatmarkt verfügen, müssen sich Deutsche Bank, Commerzbank oder Bank Austria ihre Marktanteile an anderen Stellen holen. Nur in der Schweiz haben die beiden großen Banken UBS und CS auch große Marktanteile; aber in der Schweiz ist ja bekanntlich vieles anders.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die großen Banken schon seit langem versuchen, diese Situation zu verändern, auch weil der durch die Verbünde deutlich intensivierte Wettbewerb um den Privatkunden zu vergleichsweise niedrigeren Konditionen und damit Margen führt. Der gewöhnliche Brite, Franzose oder Italiener zahlt im Vergleich mit dem Deutschen oder dem Österreicher deutlich mehr für seine Finanzdienstleistungen, was, dazu muss man kein Nobelpreisträger sein, wohl daran liegt, dass in oligarchischen Marktstrukturen der Kunde eben idR. schlechter bedient wird als bei intensivem Wettbewerb.
Es hat gewiss nicht an Versuchen gefehlt, die Marktmacht von Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu brechen. Insbesondere mit innovativen Bankkonzepten wie der Bank24, dem Internet-Banking oder Q110 wurde versucht, nachhaltige Veränderungen im Wettbewerbsgefüge anzuschieben. Es ist bei den Versuchen geblieben, zum einen, weil die Kunden im Retailbanking insofern träge sind, als sie nicht jeder Modeerscheinung gleich nachlaufen und sich oft genug vor Ort gut betreut fühlen, zum anderen, weil die Verbünde als geborene „Early Follower“ immer recht schnell in der Lage waren, innovativen Konzepten mit entsprechenden Antworten und Lösungen zu begegnen, so dass Wettbewerbsvorsprünge praktisch nie schlagend wurden.
Vielversprechender musste deshalb der Weg über Regulatorik und europäisches Wettbewerbsrecht sein, denn insbesondere die in Deutschland traditionell sehr enge Verbindung zwischen Politik und Sparkassen brachte in Brüssel viele Bürokraten ins Grübeln. Und natürlich werden klassische Gesetze wirtschaftlichen Handelns relativiert, wenn eine Sparkasse das ihr zur Verfügung gestellte Kapital nicht verzinsen muss, wogegen ihr
privatwirtschaftlicher Konkurrent seinen Eigentümern eine möglichst hohe Dividende versprechen muss.
Leider wird dabei übersehen, dass Sparkassen, in völlig legitimer Weise, genau deshalb gegründet wurden, um die regionale Nahversorgung mit Finanzdienstleistungen nicht in erster Linie unter Rendite-Gesichtspunkten zu betreiben, weil dann (s. Bahnverkehr) schnell klar würde, dass in der Fläche dies nur mit Abstrichen in der Profitabilität zu bewerkstelligen sein würde. Und da insbesondere in Deutschland eine ausgeprägt föderale Struktur existiert, trägt diese Regionalversorgung auch der Intention eines nicht streng zentralistisch geführten Staatswesens in idealtypischer Form Rechnung; es muss eben nicht immer alles Rendite-dominiert gesteuert werden.
Außerdem wird gerne übersehen, dass insbesondere die genossenschaftlichen Finanz-verbünde, bei denen man ja keine große Nähe zwischen Politik und Bankgeschäft unterstellen darf, ebenfalls sehr erfolgreich agiert haben.
Der Ansatzpunkt für den Sturm auf die Verbünde waren und sind daher auch nicht die „Primärbanken“, also die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken, sondern deren Zentralbanken, die sich spätestens seit der Finanzkrise sehr viele kritische Fragen hinsichtlich ihrer Geschäftsmodelle stellen lassen müssen. Umfang und Form der Kapitalausstattung stellen Verbünde naturgemäß vor sehr große Herausforderungen, weshalb man ebenso kreativ versucht hat, diesen Anforderungen Rechnung zu tragen. Nicht jeder Ansatz war erfolgreich bzw. wurde akzeptiert, weshalb es ja auch tatsächlich schon zu Bankabwicklungen (s. WestLB) gekommen ist.
Im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit der einzelnen Finanzverbünde stellen sich daher elementare Fragen:
Wie weit hat sich die Struktur der Verbünde, d.h. ihre Governance-Regelungen bzw. ihre Komplexität, den veränderten Rahmenbedingungen (Niedrigzins-Phase, Digitalisierung etc.) bereits angepasst?
Wie stark sind die Verbünde durch die anhaltende Steigerung der Regulatorik-bedingten Aufwände in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit bedroht?
Wie gut ist es um die Management-Qualität in den dezentralen Unternehmen bestellt, wenn sich die Marktbearbeitungs-Parameter nicht grundlegend vereinfachen bzw. verbessern?
Um es vorweg zu nehmen: Man muss die einzelnen Verbünde unterschiedlich bewerten, denn die strukturelle Entwicklung ist sehr unterschiedlich.
Fangen wir bei der deutschen Sparkassen-Organisation an, die nach kumulierter Bilanzsumme wohl noch immer die größte Finanzdienstleistungs-Organisation der Welt ist.
Strukturell hat sich entgegen vieler Mutmaßungen bislang wenig getan, wenn man von einer deutlich zunehmenden Zahl an Sparkassen-Fusionen absieht. Natürlich wird sich die Zahl der Sparkassen weiter reduzieren, doch dies bedeutet nicht, dass sich das Modell eines regionalen Nahversorgers ändert. Selbst wenn in 5 Jahren nur noch 300 Sparkassen existieren würden (heute 400+), wären die Institute im Durchschnitt zwar noch größer, prinzipiell aber immer noch im gleichen Geschäftsmodell tätig.
Die Organisation leistet sich noch immer verschiedene Versicherer und Bausparkassen, was sicherlich erhebliche Synergiereserven bedeutet.
Bei den vielfach totgesagten Landesbanken kann man eine unterschiedliche Entwicklung beobachten, die aber weniger mit der Struktur des Verbundes als vielmehr mit geschäftsstrategischer Positionierung zu tun hat. Während die süddeutschen Landesbanken alles in allem sehr stabil erscheinen und vor allem im Mittelstandsgeschäft von der Schwäche der Großbanken profitieren, kämpfen die norddeutschen Landesbanken noch immer mit den Altlasten, vor allem aus der Schifffahrtsbranche.
Die Sparkassen haben sich in ihrer Mehrzahl auf die verschärften Rahmenbedingungen eingestellt, d.h. sie haben gelernt, mit schmaleren Ergebnissen zu überleben, indem sie Standorte reduzieren, Prozesse vereinfachen und daran arbeiten, die bestehenden Marktpotenziale noch besser auszuschöpfen. Insbesondere die hohe Leistungsfähigkeit der Zentral-IT wird dabei sicherstellen, dass die Organisation im technischen Wettbewerb der Digitalisierung nicht entscheidend zurückfällt.
Dennoch öffnen sich die Scheren in den einzelnen Regionen zwischen den besten und den schwächsten Instituten, worin vor allem mangelnde Management-Qualität in vielen Instituten zum Ausdruck kommt. Insbesondere hinsichtlich der unternehmerischen Kraft, die Vertriebsorganisationen vom Bring- auf das Holgeschäft umzustellen, fehlt vielen Vorständen die Energie, der Wille und mitunter auch das Können, was sich häufig darin äußert, zentral in den Verbänden entwickelte Konzepte kritiklos und undifferenziert auf das eigene Institut überzustülpen. Der Zweck liegt auf der Hand, nämlich die faktische Rückdelegation von Marktverantwortung.
Es wird sich zeigen, ob die an vielen Stellen zu beobachtende unternehmerische Kraft dieser Organisation ausreichen wird, um schnell und tief genug auf das dezentrale Management, also die noch immer vielen Vorstände in den vielen Sparkassen, erfolgreich einzuwirken; es ist ein Wettlauf mit der Zeit, denn jedes zusätzliche Jahr Missmanagement an vielen Stellen erhöht den Handlungsaufwand und schwächt diejenigen, die ihren Job gut machen.
Die deutsche Genossenschaftsorganisation hat ihre strukturellen Hausaufgaben weitgehend erledigt. Die abzuschließenden bzw. erfolgreich umzusetzenden Fusionen bei den Zentralbanken und der IT sind auf dem Weg; die Verbundunternehmen strategisch aufgegleist und z.T. außerordentlich erfolgreich.
Man darf gespannt sein, wie sich die laufenden Diskussionen über die weitere Ausgestaltung der zentralen Governance (Zentralbank vs. Holding) auswirken werden, aber insgesamt macht die Organisation einen sehr stabilen Eindruck.
Auch in der deutschen Genossenschaftsorganisation steigt die Zahl der Fusionen auf Primärbank-Ebene, was zum einen der Suche nach der optimalen Betriebsgröße, zum anderen den demographischen Veränderungen in den ländlichen Regionen (vgl. auch Sparkassen) geschuldet ist.
Es ist klar, dass die im Durchschnitt des regionalen Wettbewerbs wesentlich kleineren Genossenschaftsbanken noch deutlich stärker von den zentral erarbeiteten Leistungen (Prozesse, Produkte) abhängig sind. Entsprechend geringer ausgeprägt sind Individualstrategien, die nicht im Einklang mit der Verbundstrategie stehen.
Manche Beobachter machen den Fehler, daraus einen Beleg für eine stärker zentral zu führende Verbundorganisation abzuleiten. Auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag, dass dieser Verbund stark durch Zentral- und Verbundinstitute gesteuert wird, so darf man nicht übersehen, dass die wesentlichen strategischen Weichenstellungen und Entscheidungen aus dem Kreis der Primärbank-Vorstände getroffen werden. Hier liegt auch ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Organisation, dass nämlich die gesamte Verbundarbeit sehr stark auf die Interessen und zum Nutzen der Primärstufe ausgerichtet ist.
Das Zusammenspiel von strategischer Kompetenz in den Zentral- bzw. Verbundunternehmen mit der Marktnähe der Primärbanken macht diesen Verbund extrem stark und belastbar, was nicht bedeutet, dass die nächsten Jahre zum Selbstläufer werden. Aber in der Kombination von klarer Aufbaustruktur, starkem (Primärbank-)Marktbearbeitungs-Fokus der gesamten Organisation sowie großem Steuerungseinfluss der Ortsbanker liegt eine große Kraftquelle. Die relativ große Verbundorientierung bietet darüber hinaus die Chance, individuellen Management-Defiziten vor Ort durch Verbund-Disziplin zu begegnen.
Blickt man nach Österreich, so stellt sich die Verbünde-Situation sehr unterschiedlich dar.
Noch vor drei Jahren hätte man die Perspektive der Volksbanken, die anders als in Deutschland nicht mit Raiffeisen gemeinsam agieren, hoch problematisch eingeschätzt, weil der Kollaps des Zentralinstituts nur durch Staatshilfe aufgefangen werden konnte. Der Staat hat allerdings diese Chance genutzt und der Organisation ein radikales Umstrukturierungskonzept mit nur noch einer Volksbank je Bundesland verordnet, das jetzt weitgehend umgesetzt ist.
Zudem hat sich die Organisation für eine strategische Kooperation mit der deutschen Genossenschaftsorganisation geöffnet, was insbesondere für Zukunftsthemen wie Asset Management und Versicherungen zu einer schlagartigen Explosion der Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselprodukten geführt hat.
Insofern muss man attestieren, dass diese Verbund-Organisation mittlerweile eine gute Zukunftsperspektive hat, wenn sie es schafft, sich schnell auf die offensive Marktbearbeitung zu fokussieren. Gerade die jüngsten Wechsel prominenter Banker aus anderen Verbünden bestätigen diese Einschätzung.
Weit komplexer ist die Situation bei der anderen Genossenschafts-Organisation in Österreich, der Raiffeisen-Gruppe. Die „Giebelkreuzler“, mit durchschnittlich 30-35% Marktanteil der Marktführer im Retailgeschäft, sind diejenige Verbundorganisation, die über viele Jahre seit der Jahrtausendwende von der Öffnung Mittel- und Osteuropas profitiert hat bzw. diese am kraftvollsten vorangetrieben hat. Dies führte zu zwei wesentlichen Konsequenzen, die heute schlagend werden. Zum einen dienten die großen Erträge aus den „Emerging Markets“ dazu, die Geschäftsmodelle der regionalen Landesbanken, die es noch in jedem Bundesland gibt, zu subventionieren, denn die Landesbanken waren die Eigentümer der im Osten tätigen RZB bzw. RBI und damit die Profiteure der dort erwirtschafteten Erträge. Damit wurden Geschäftsmodelle, die z.T. nicht mehr tragfähig waren, künstlich am Leben gehalten und die notwendige Strukturreform bis heute verschoben.
Zum anderen hatte diese Abhängigkeit von den Osterträgen auch zur Folge, dass das Verhältnis zwischen der Risiko- und Kapitaltragfähigkeit der inländischen Organisation und dem Bedarf des stark gewachsenen Netzwerks in den „Emerging Markets“ nicht mehr ausbalanciert war, d.h. Krisensituationen konnten nur noch mit Mühe, Kapitalanforderungen für ein Wachstum überhaupt nicht mehr bewältigt werden. Die Folge war (und ist) eine Strategie der Konsolidierung, die am Ende auch vor den Landesbank-Strukturen nicht haltmachen kann.
Im Schatten dieser Entwicklung sehen sich die Primärbanken den verschärften Rahmenbedingungen ausgesetzt, ohne dass der Verbund-Überbau eine geschlossene bzw. die dringend benötigte Gesamtstrategie erkennen lässt. Zwar ist nach vielen Mühen die Konsolidierung der IT auf der Zielgerade, aber dies löst die Verbund-strategischen Herausforderungen nicht.
Viele Raiffeisenbanken sind allerdings noch immer so gut in ihren Regionen verankert, dass sie angesichts der ansonsten um sich greifenden Konsolidierung immer weiter wachsende Marktanteile mit noch immer ordentlichen Margen verzeichnen, weil die Menschen die Nahversorgung honorieren. Auch die Lösungen im Bereich der Digitalisierung bewegen sich auf Wettbewerbsniveau, so dass das Überleben der kleinteiligen Organisation ganz wesentlich davon abhängen wird, das heute noch sehr Zahlungsverkehr-lastige Geschäftsmodell durch
intensiviertes Cross Selling robuster zu machen. Auch wird es von der Leistungsfähigkeit der Verbundinstitute abhängen, Back Office-, Stabs- und regulatorische Services zentral zu bündeln, um die Raiffeisenbanken vor Ort auf die Marktbearbeitung fokussieren zu können. Insgesamt kann man für Raiffeisen eine herausfordernde Ausgangssituation mit deutlichen Risiken attestieren, die in den kommenden drei Jahren erhebliche Veränderungen, vor allem im Überbau der Organisation, erfordern wird.
Die Sparkassen in Österreich sind ein Verbund-Zwitter insofern, als dass die Erste Bank als Zentralinstitut an vielen der über 40 Sparkassen eine Beteiligung von unterschiedlicher Höhe hält (0-100%). Diese Struktur ist labil, weil die regulatorischen Anforderungen die Rolle der zentralen Verantwortung immer weiter ausgestalten, d.h. die Sparkassen, die bspw. ganz überwiegend schon kein eigens Treasury mehr haben, werden bereits heute im Erste Bank-Konzern konsolidiert abgebildet.
Es ist absehbar, dass diese Situation dazu führen wird, dass die Erste Bank immer stärker auch den operativen Geschäftsbetrieb jeder Sparkasse steuern wird, wodurch der Verbund-Charakter dieser Organisation über die Zeit verschwinden wird.
Der Sparkassen-Vorstand der nahen Zukunft wird somit eher dem Regionalleiter der Bank Austria, sollte sie dann noch existieren, ähneln, nur mit zunächst noch breiterem Filialnetz.
Man mag sich in der Organisation da und dort dieser Entwicklung erwehren; man wird sie aber nicht aufhalten können, weil der Druck der Regulatorik Schritt für Schritt die Eigenständigkeit der Vorstandstätigkeit verringern wird. Dazu muss man dem Zentralinstitut noch nicht einmal Absicht unterstellen; indes, man wird sich in Wien nicht gegen diese Rolle wehren, zumal aus Erste Bank-Sicht Österreich ja nur einer von mehreren Märkten ist (s. Emerging Markets-Präsenz) und zudem einer, der noch sehr heterogene Governance-Strukturen zeigt.
Daher ist die Prognose für die Sparkasse in Österreich klar: Der Verbund wird zum Konzern!
Die Marktbearbeitungsfähigkeit wird damit auf Dauer leiden, weil der dezentrale Unternehmer durch den abhängigen Regionalleiter ersetzt werden wird. Dies wiederum wird zu Konsolidierungstendenzen im regionalen Zweigstellennetz führen, weil aus Zentralsicht nur Kostenreduzierung steuerbar ist.
Es wird jetzt darauf ankommen, wie schnell sich diese Entwicklungen umsetzen werden, weshalb man sicher keine kurzfristigen Einbrüche bei den Sparkassen sehen wird, da die Organisation insgesamt derzeit gut aufgestellt ist, auch was die modernen Medien angeht („George“).
Diese Grob-Analyse zeigt, dass die derzeitige strategische und strukturelle Situation in den einzelnen Verbundorganisationen unterschiedlich ist. Diese Heterogenität hat durchaus Einfluss auf die Beurteilung der Zukunftsfähigkeit der einzelnen Organisationen. Müsste man Geld wetten, sollte man am ehesten auf die deutschen Genossen setzen, vorausgesetzt, bei den Governance-Diskussionen bleibt alles im Rahmen.
Bei allen strategischen Herausforderungen darf man die Potenz und schiere Kraft der deutschen Sparkassen nicht unterschätzen. Das Kernproblem schlummert in der insgesamt mangelnden unternehmerischen Kraft. Dies kann z.T. durch zentrale oder dezentrale Konzeptarbeit abgemildert werden, muss aber gelöst werden, um der Organisation Zugang zu den künftig relevanten Ertragspotenzialen zu ermöglichen, denn diese Potenziale lassen sich nicht mit althergebrachten Steuerungsansätzen realisieren. Wenn es der Organisation aber gelingt, das Ruder von „Bringgeschäft“ auf „Holgeschäft“ umzulegen, wird diese Organisation eher noch stärker werden, vor allem, weil die meisten Wettbewerber auch noch erheblichen Handlungsbedarf haben.
In Österreich werden die Volksbanken eine starke Entwicklung nehmen, wenn sich die jetzt beobachtbaren Tendenzen in der strukturellen Entwicklung sowie der neuen Struktur etabliert haben. Die Kooperation mit den deutschen Genossen wird der Gruppe eine Achillesferse schließen, nämlich die Kompetenz zur Produktentwicklung.
Für die beiden anderen Verbundorganisationen in Österreich muss man deutliche Probleme prognostizieren, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die Strukturprobleme bei Raiffeisen und die Konzernierungsbewegung bei den Sparkassen werden beiden nicht dazu beitragen, dass die Energien in die wichtigen Kanäle fließen können, nämlich in die offensivere Marktbearbeitung.
Es wird sehr darauf ankommen, ob und ggf. wie sich die Rahmenbedingungen weiter verändern, ob sie sich weiter verschärfen (u.a. Regulatorik) oder ob Entspannung eintritt.
Verbundorganisationen sind eine äußerst leistungsstarke Organisationsform, was sich leider in Brüssel noch nicht herumgesprochen hat. Und natürlich setzt das Verstehen dieser Organisationsform sehr viel Erfahrung und konzeptionelle Intelligenz voraus, die man in den großen Stabseinheiten bei Großbanken und bei der EU nicht zwingend voraussetzen kann.
Wer Teil einer Verbundorganisation ist, bemängelt meist die langsame Entscheidungsfindung bei zentralen Themen, übersieht aber häufig die schnelle Reaktionsfähigkeit auf Marktveränderungen durch dezentral selbständig agierende Banken. Nicht immer muss man auf das zentrale Projekt warten; viele kann man selbst im eigenen Institut anschieben.
Es bleibt zu hoffen, dass irgendwann einem wichtigen Menschen in Brüssel auffällt, dass die Kunden, die von Verbundbanken betreut und beraten werden, meist sehr zufrieden und wenig wechselwillig sind, und dass sie vor allem weniger zahlen als in Großbank-dominierten Märkten.
Die Verbundorganisationen können es nur selbst „versemmeln“!
Herzliche Grüße aus Brand
Hans-Dieter Krönung