„Das einzige, was wir aus Erfahrung lernen, ist, dass wir nichts aus Erfahrung lernen“
(Chinua Achebe)
Nun kommt es also doch, die große Konsolidierungswelle der Großbanken in Deutschland. Gegen den Rat der meisten Fachleute führen Deutsche Bank und Commerzbank Fusionsgespräche. Der Finanzminister möchte einen „nationalen Champion“, der endlich international wieder ein gewichtiges Wörtchen mitreden kann, denn natürlich steht es einer Wirtschaftsmacht wie Deutschland schlecht zu Gesicht, international nur in der zweiten oder dritten Liga zu spielen (wir sind schließlich nicht im „Nations Cup“).
Im Schatten der Großen arbeitet die Sparkassen-Organisation an der großen Konsolidierungslösung. Durch den drohenden Zusammenbruch der NordLB ist nun die Chance entstanden, den überfälligen Prozess hin zu einer „Super-Landesbank“ zu beginnen, wobei sich „super“ eher auf die Bilanzsumme, noch nicht zwingend auf Qualität und Erträge bezieht.
Beide Konsolidierungsimpulse entspringen dem gleichen Kern, der Not. Dabei ist die Not weniger durch die Marktveränderungen entstanden, die etwa bei Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken zu signifikanten Veränderungsprozessen geführt haben (Digitalisierung, Niedrigzinsphase, Regulatorik), sondern schlicht und einfach durch jahrelanges Management- und Steuerungsversagen. Natürlich ist z.B. die Krise der Schifffahrtsbranche ein exogener Einflussfaktor, aber das Fehlen eines grundsätzlich tragfähigen Geschäftsmodells bei den Landesbanken hat eben dazu geführt, dass sich gerade diese Banken mit „toxischen“ Papieren und entsprechenden Volumina so vollgesogen hatten, dass dieses Risiko irgendwann einmal schlagend werden musste. Und da man bei allen Landesbanken im Grunde bestimmte Ertragsbestandteile aus Direktbanken, Wohnbaugesellschaften, konsolidierten Sparkassen und anderen, eigentlich Landesbank-untypischen Geschäftsaktivitäten und deren Erträge herausrechnen müsste, ist allen Beteiligten klar, dass ein bloßes Zusammenführen der bestehenden Geschäftsmodelle nicht dazu führen kann, dass ein tragfähiges Geschäftsmodell entsteht; Größe an sich ist eben kein Selbstzweck.
Diese Erfahrung haben auch die Deutsche Bank und die Commerzbank gemacht, die ihre jeweiligen Versuche, Größe zu gewinnen, noch immer nicht erfolgreich abgeschlossen haben. Die Deutsche Bank versucht noch immer, die ungeliebte Postbank irgendwie zu integrieren, weil sie diese nicht verkauft bekam und die Commerzbank hat sich zwar die Dresdner Bank einverleibt, aber dennoch noch immer keinen Plan, wie man die gewonnene Größe in ein sinnvolles Geschäftsmodell überführt.
Das Motiv der beiden großen Konsolidierungsimpulse ist also Not, weil man es in den vergangenen 10 Jahren nicht hinbekommen hat, die bestehenden Institute erfolgreich zu entwickeln. Warum eigentlich nicht?
Deutschland gilt allgemein als schwieriger Bankenmarkt, weil die dominante Rolle, die Sparkassen und Geno-Banken im Retailmarkt einnehmen, dazu führt, dass keine Oligopolstrukturen entstanden sind, wie man sie in anderen Märkten (Frankreich, Spanien etc.) beobachten kann. Oligopolstrukturen bieten die Möglichkeit, deutlich höhere Preise zu verlangen, weil die Kunden keine Alternativen haben. Auch dies kann man in anderen Märkten beobachten.
Es ist daher auch verständlich, dass seitens der deutschen Großbanken diese Marktsituation kritisch kommentiert wird, denn ein deutlich höherer Marktanteil würde natürlich profitablere Preisstrukturen ermöglichen.
Für die Landesbanken trifft diese Erklärung natürlich nicht zu, und im Grunde ist sie auch für die Großbanken nur eine Ausrede.
Betrachtet man die Ursachen der jeweiligen Krisen, so ist z. B. nur schwer erklärbar, was die Inlandsschwäche im Retailgeschäft mit den entstandenen Problemen und ihren Ursachen bei den Großbanken zu tun hat.
Nein, die „Wurzelsünden“ bei den Großbanken und Landesbanken liegen tiefer, und nur sie erklären, warum es dazu kommen konnte, dass nunmehr aus Not heraus konsolidiert werden muss.
Schauen wir zunächst auf die Großbanken. Alle deutschen Großbank-Manager hatten mit dem Problem zu kämpfen, dass Ihre internationale Bedeutung nicht der Bedeutung der deutschen Volkswirtschaft entsprach. Und man kann sich gut vorstellen, dass die Bankmanager, die nach Herrhausen die Deutsche Bank, aber auch Dresdner Bank, Commerzbank und Bayerische Vereinsbank führten, dies auch von Politikern oder Wirtschaftsbossen da und dort aufs Brot geschmiert bekamen.
So muss es nicht verwundern, dass irgendwann ambitionierte Banker auf die Idee kamen, Ziel-Renditen auszurufen, die mit solidem Geschäftsgebaren nicht mehr vereinbar waren.
Um sich nicht mehr anhören zu müssen, man sei zu vorsichtig, mutlos oder konservativ, wurde das Investment Banking intensiviert, denn dort winkten die satten Renditen. Weitgehend losgelöst von solidem Kundengeschäft agierten daraufhin Deal-orientierte Manager, meist aus den angelsächsischen Regionen, die den langweiligen Privat- und Firmenkunden-Managern zeigten, wie man schnell sehr viel Geld verdienen konnte. Man musste da und dort etwas nachhelfen, was die gesetzlichen Regeln anging, aber ansonsten lieferten die internationalen Kapitalmärkte jede Menge Möglichkeiten, sich auszutoben.
Uns so kam es, dass bspw. die Deutsche Bank zu einem der führenden Spieler auf den internationalen Lead-Tables im Investment Banking wurde. Bis die Blase platzte ….
Bei den Landesbanken liegt die Wurzelsünde an anderer Stelle. Die Verbindung von „Öffentlicher Hand“ und Sparkassen funktioniert auf Regionalebene meist einwandfrei, weil dies auch dem Gründungsgedanken von Sparkassen entspricht, nämlich regionale Nahversorgung mit Finanzdienstleistungen sicherzustellen, um dadurch auch regionale Wirtschaftsförderung zu betreiben. Es gehört zu den unausrottbaren, aber ebenso falschen Behauptungen, es sei eine Wettbewerbsverzerrung, dass Sparkassen das ihnen zur Verfügung gestellte Kapital nicht verzinsen müssten, wie es andere Marktteilnehmer müssten. Sparkassen fördern auch minderrentierliche regionale Projekte und Unternehmen, sie spenden für regionale Zwecke und sie helfen, eine Region wirtschaftlich zu entwickeln. Das geht nicht, wenn man immer nur auf die Rendite achtet.
Landesbanken waren früher einmal regionale Zentralbanken, d.h. sie unterstützten die Sparkassen in ihrer Region mit übergreifenden Leistungen, etwa im Zahlungsverkehr, und mit Produktkompetenz, z.B. im gewerblichen Geschäft. Und es war durchaus gewollt, dass die Landesbanken auch eigenes Geschäft betrieben, denn als Töchter der Sparkassen erwirtschafteten sie auch Dividenden für ihre Eigentümer.
Der Fehler bestand nun darin, dass die jeweiligen Landespolitiker erkannten, dass eine Landesbank durchaus ein praktisches Instrument sein könnte, die auf regionaler Ebene so erfolgreiche Zusammenarbeit auch auf Landesebene fortzuführen. Manch ein Ministerpräsident nutzte seine Beteiligung an einer Landesbank dazu aus, Industriepolitik für sein Bundesland zu betreiben. Mit der Staatsgarantie im Rücken ließen sich zudem vielfältige, einträgliche und einfache Geschäfte durchführen, deren Erträge dazu dienen konnten, ambitionierte politische Projekte (und Karrieren) zu fördern.
Wie sich bald herausstellte, sah die Europäische Union in diesem Geschäftsmodell tatsächlich eine Wettbewerbsverzerrung und drehte den Hahn ab. Was aber tun?
Die Nutzung eines staatlich verliehenen Privilegs ist kein Geschäftsmodell, wenn dieses Privileg entfällt. Da aber alle Landesbanken darauf ihre Marktaktivitäten ausgerichtet hatten, brach Panik aus. Und anstatt wieder auf alte Strukturen zu redimensionieren, wurden neue Geschäftsfelder entwickelt bzw. bekannte Geschäftsfelder intensiviert, deren Nachhaltigkeit wir heute beurteilen können.
Die heutige Generation der Landesbank-Manager kann diese Fehlentwicklung nur optimieren, nicht grundlegend verändern.
So überraschend es klingen mag, aber gerade in dieser Wurzelsünde des öffentlichen Einflusses liegt auch die Chance der derzeitigen Konsolidierungsbemühungen. Es gibt kaum noch einen Landespolitiker, vor allem keinen Finanzminister, der noch uneingeschränkte Freude an seiner Landesbank-Beteiligung hat.
Der Untergang der WestLB, des ehemaligen Flaggschiffs der Landesbanken, und der HSH Nordbank haben bereits einige Spargroschen der beteiligten Sparkassen, aber auch der Länder gekostet, weshalb die Bereitschaft der Politik, sich aus den Landesbanken zurückzuziehen, größer sein könnte als jemals zuvor.
Die einzige Perspektive, die der Landesbanken-Komplex hat, ist die vollständige Bereinigung von jedem politischen Einfluss und die daraus folgende vollständige Governance der Sparkassen.
Das ist ohne Zweifel ein teures Unterfangen, aber die einzige Chance, aus dem Geflecht der regionalen Eitelkeiten und Beharrungstendenzen zu entfliehen. Natürlich würde das auch bedeuten, dass eine einzige zentrale Landesbank vor allem Zentralbank der Sparkassen wäre, in deren Dienst sie stünde und durch die sie geführt würde. Es mag reiner Zufall sein, dass die Helaba, deren Mehrheitseigner die hessisch-thüringischen Sparkassen sind, stabiler unterwegs ist als andere Landesbanken, bei denen die Politik das Sagen hat.
Auch zeigt der Blick auf die Genossenschaftsorganisation, dass ein Zentralinstitut, das ausschließlich durch seine primären Kunden geführt wird, nicht unbedingt eine schlechte Lösung darstellt.
Ich sage immer wieder gerne, dass das Erkennen des wahren Kernproblems, der „Wurzelsünde“, dazu führt, dass man der Lösung sehr nahe ist. Bei den Großbanken und bei den Landesbanken liegt die Lösung in der konsequenten Ausrichtung des Managements auf die jeweiligen Kunden. Das hat viel mit Demut und mit „Dienen“ zu tun.
Für die Großbanken bedeutet dies, Eigentümer und Manager zu finden, die einen kontinuierlichen Veränderungsprozess konstruktiv und nachhaltig begleiten, in dessen Mittelpunkt die konsequente und seriöse Ausrichtung auf Privat- und Firmenkunden steht. Renditen jenseits der 20% sind dann nicht mehr erzielbar, und horrende Gehalts- und Bonusstrukturen wird es dann auch nicht mehr geben können. Ich kann nicht beurteilen, ob ein solcher Weg angesichts der ausufernden internen Probleme sowie der Erwartungshaltung der Eigentümer überhaupt durchhaltbar ist, aber ich sehe keine Alternative, außer der Übernahme durch eine ausländische Bank.
Man kann den Sparkassen nur wünschen, dass sie die Kraft aufbringen, die Governance zurück zu gewinnen, um die dringend erforderliche Konsolidierung durchführen zu können. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Beharrungstendenzen auf Landesebene überwunden werden können; die Chancen standen noch nie so gut.
Alle Verbundorganisationen stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Im Vergleich muss man attestieren, dass die Genossenschaftsorganisation ihre Hausaufgaben am besten gemacht hat; sie kann sich voll und ganz auf die Marktbearbeitung konzentrieren, und die ist anspruchsvoll genug.
Wenn es den Sparkassen gelingt, ihre Kräfte in ähnlicher Weise zu bündeln, kann sie dem folgen und den kommenden Herausforderungen selbstbewusst entgegensehen.
Auch bei Raiffeisen in Österreich steht die Konsolidierung irgendwann an, denn es wird unmöglich sein, die durchgängig dreistufige Struktur in jedem Bundesland durchzuhalten, außer, die internationalen Aktivitäten einer RBI sind künftig so erfolgreich, dass sie diese Strukturen weiterhin subventionieren kann.
Den anderen Weg gehen die Sparkassen in Österreich, die schrittweise den ErsteBank-Konzern bilden werden. Ob dieses Modell dauerhaft die Kraft der Regionalität erhalten wird, muss abgewartet werden.
Konsolidierungen sind niemals eine Lösung; sie verschaffen nur Zeit, manchmal auch nur ein Alibi. Sie können jedoch ein wichtiger Schritt sein, die Strukturen zukunftsfähig aufzustellen, aber nur, wenn ihnen ein entsprechender Plan zugrunde liegt. Hoffen wir einmal, dass die jeweiligen Entscheidungsträger einen solchen Plan haben.
Herzliche Grüße aus Brand
Hans-Dieter Krönung