„Wer ohne Schuld sei, werfe den ersten Stein.“
(Bibl. Zitat)
Top-Manager haben in unserer Gesellschaft heute keinen guten Ruf mehr. Glaubt man Umfragen, gehen die meisten Befragten davon aus, dass diese Menschen nur der eigenen Gier folgen und rücksichtslos nur ihre Interessen verfolgen.
Banker haben auch keinen guten Ruf mehr, denn Banken stehen seit der Finanzkrise für Ausbeutung der Kunden und den Missbrauch des Staates als Rettungsanker.
Als sinnbildlich für die Sicht auf Top-Manager in Banken könnte man die Gegenüberstellung der Herren Herrhausen und Ackermann als Vertreter der größten und ehemals großen Deutschen Bank wählen. Auf der einen Seite der eloquente und philosophisch geprägte Gentleman, der das Bankgeschäft auch als gesellschaftlich mit-verantwortlich verstand und sich u.a. für Schuldenschnitte gegenüber der Dritten Welt aussprach. Auf der anderen Seite der smarte Investment Banker, der seinen Investoren 25% Rendite versprach und auf der Anklagebank das Victory-Zeichen machte.
Ich bin mir sicher, dass sich gerade jetzt viele Mitarbeiter der Deutschen Bank, nach der gefühlt 57. strategischen Neuausrichtung, fragen, wo die Deutsche Bank heute stünde, wenn Herrhausen 1989 nicht Opfer eines Attentats geworden wäre.
Wir wissen es nicht und wir können es auch nicht ahnen, denn viel zu viel hat sich seitdem verändert und es ist keineswegs sicher, dass es Herrhausen gelungen wäre, die Macht der eingewanderten und selbst entwickelten Investment Banker zu zügeln und eine Antwort auf die globale Herausforderung zu finden. Es wäre aber sicher spannend gewesen, diesen Prozess zu verfolgen.
Seitdem haben sich die Strukturen im Bankgeschäft nachhaltig und geräuschvoll verschoben. Was ist aus dem hochwertigen Erbe der Dresdner Bank geworden? Wie konnte aus der stolzen HypoVereinsbank eine regionale Niederlassung einer italienischen Großbank werden? Wie kam es, dass die ruhmvolle Bank Austria das gleiche Schicksal ereilte? War es wirklich unvermeidbar, dass die WestLB als größte der Landesbanken zu einem Abwicklungsfall wurde?
Und es geht ja weiter. Derzeit ringt die NordLB um ihre Zukunft, und auch wenn die journalistische Aufmerksamkeit derzeit nicht auf die BayernLB und die LBBW gerichtet ist, gibt es nicht wenige Beobachter, die angesichts der sich eintrübenden Kultur und des anstehenden Umbaus der Automobilbranche (samt Zulieferer) auch für diese Institute „schweres Wasser“ voraussehen.
Und wären diese Beobachtungen nicht schon schmerzhaft genug, säumen offensichtliche Skandale den Weg der strukturellen Veränderung, wenn man nur an die IKB oder die HypoRealEstate denkt.
Es muss also nicht überraschen, wenn die Öffentlichkeit nicht gerade mit großem Vertrauen auf die einst so stolze Finanzbranche blickt. Dabei wird natürlich immer wieder die Frage nach der Verantwortung gestellt. Auch wenn man attestieren muss, dass in allen genannten Instituten mittlerweile neue Top-Manager am Werk sind, deren Job es ist, zu retten, was zu retten ist, bleibt der Generalverdacht, alle Banker hätten irgendwie Dreck am Stecken. Hinzu kommt, dass auch im ein oder anderen Fall eine Sparkasse oder eine Genossenschaftsbank von einem Skandal erschüttert wurde und ganz offensichtliches Fehlverhalten von Top-Managern festgestellt wurde.
Dementsprechend ist immer wieder ein Aufschrei der Empörung festzustellen, wenn Top-Manager (nicht nur aus Banken) vor Gericht stehen und mit vergleichsweise milden Strafen „davonkommen“.
Versetzen wir uns einen Augenblick in die Rolle der Richter. Sie müssen herausfinden, ob ein Vorsatz zur Selbstbereicherung, zur Steuerhinterziehung oder zum Betrug vorliegt. Dazu braucht es Beweise, d.h. ein aktives Schuldeingeständnis oder zweifelsfreie Belege, die die Absicht zum Rechtsbruch belegen. So ist das in unserem Rechtssystem, und das ist auch gut so.
Strategische Fehlentscheidungen, überzogene Restrukturierungen, fragwürdige Fusionen oder die Zerstörung von Unternehmenskulturen sind keine Straftatbestände.
Auch schlichte Unfähigkeit oder Überforderung sind in diesem Sinn nicht strafbar.
Wer aber einmal aus der Nähe erlebt hat, wie es Menschen ergeht, die in einem über Jahre dauernden rechtlichen Verfahren, vom Verdacht bis zur finalen Anklage bzw. dem endgültigen Urteil (inkl. Revision) zunächst ihren Job, dann ihre soziale Position und schließlich ihre Würde verloren haben, der bekommt ein Gefühl dafür, dass auch ein vergleichsweise mildes Urteil oder sogar ein Freispruch den entstandenen persönlichen Schaden in keiner Weise aufwiegen kann.
Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Straftaten müssen verfolgt und geahndet werden, aber wir müssen mit großer Vorsicht an die Frage herangehen, wann ein offensichtliches Fehlverhalten vorliegt.
Warum spreche ich über dieses Thema? Weil in einer kritischen Stimmung gegenüber Banken und ihren Top-Managern Politik und Gerichte immer geneigt sind, ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen und Exempel zu statuieren. Man darf als von der Nullzinspolitik, der Digitalisierung und der Regulatorik gebeutelter Bankmanager nicht darauf hoffen, besondere
Milde entgegengebracht zu bekommen, auch wenn man selbst keine Schuld auf sich geladen hat. Mehr noch: Es gehört heutzutage zum Bankmanagement dazu, mit Vorbehalten, auch irrationalen, konfrontiert zu sein. Und auch wenn man sich noch so sehr darüber beklagen mag; die Branche als Ganzes hat sich einen gewissen Teil der Schuld selbst zuzuschreiben, weil gerade die Finanzbranche in den vergangenen Jahren sehr häufig die Politik bemüht hat, Fehlentwicklungen mit Steuergeldern abzufedern und für auskömmliche Rahmenbedingungen zu sorgen.
Was soll der Normalbürger, vor dessen Haustür eine Filiale geschlossen oder dessen Girokonto-Gebühren zum widerholten Mal erhöht wurden, denken, wenn er die Berichte aus den Jahresabschluss-Pressekonferenzen der Banken liest? Da wird regelmäßig über die erschwerten und z.T. irrationalen Rahmenbedingungen geschimpft und die Politik und die Verbände aufgefordert, diese Rahmenbedingungen zu ändern, andererseits aber wird das wieder einmal erfolgreiche Geschäftsjahr und das anhaltende Wachstum gefeiert. „Gut unterwegs“, Zufriedenstellende Ergebnisse“, „Positive Entwicklung“; das sind doch die regelmäßig gesendeten Botschaften.
Ja, auch ich weiß, dass die Dinge nicht so einfach liegen. Aber man könnte sich doch auch einmal an die eigene Nase fassen und sich fragen, was man möglicherweise in den vergangenen Jahren vernachlässigt hat, seit die Finanzkrise begann und mit ihr das Unheil von Niedrigzinsen und Regulatorik.
Könnte es nicht sein, dass zu viele Bankmanager in den vergangenen zwanzig Jahren den Grundsatz vernachlässigt haben, den der große Nationalökonom Wilhelm Röpke uns allen seinerzeit ins Stammbuch schrieb: „Die Wirtschaft agiert nicht in einem moralischen Vakuum“?
Es ist nämlich nicht die erste Aufgabe der Politik oder gar der Gesellschaft, Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu schaffen, damit diese sich in Ruhe nur auf die Erwirtschaftung möglichst hoher Renditen konzentrieren kann, um dann, wenn es mal schief geht, nach dem Staat als Reparaturbetrieb zu rufen. Dieses einfache duale Modell der Arbeitsteilung zwischen Staat/Gesellschaft und Wirtschaft ist nicht die Grundlage der „Sozialen Marktwirtschaft“.
Es ist daher möglicherweise an der Zeit, auch einmal in die andere Richtung zu denken und zu handeln und sich die Frage zu stellen: Was tut die Finanzbranche für die Gesellschaft?
Rendite ist in erster Linie Lohn für erbrachten Nutzen, nicht für erfolgreiches Geschäft. Sicher, sehr viele Sparkassen und Genossenschaftsbanken leisten großartige Arbeit in ihren Regionen, sie fördern die regionale Wirtschaft, spenden an Vereine und andere Einrichtungen und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung lebenswerter Rahmenbedingungen in vielen Regionen.
Aber welchen gesellschaftlichen Nutzen haben z.B. die oben genannten, großen Institute, die Privat- und Landesbanken, in den vergangenen Jahren gestiftet? Ist die These zu gewagt, dass deren Niedergang auch damit zu tun hat, dass sie die Aufgabe der gesellschaftlichen Verantwortung, wie sie einst Herrhausen schon formulierte, auf dem Altar der Renditemaximierung geopfert haben? Und: Haben sie der gesamten Branche damit nicht einen Bärendient erwiesen, unter dem alle Vertreter dieser Zunft heute zu leiden haben?
Was ist die Botschaft? Es geht eben nicht nur darum, die Herausforderungen der Digitalisierung erfolgreich zu meistern, sondern auch darum, sich als Branche wieder erkennbar in die gesellschaftlichen Diskussionen und Entwicklungen aktiv einzubringen, gerade in Zeiten, in denen das eigene Überleben nicht mehr selbstverständlich ist.
Ich wage die These, dass dem betriebswirtschaftlichen der kulturelle Niedergang vorausgeht, selten umgekehrt. Und zur Kultur eines Unternehmens gehört zwingend auch sein (gesellschaftlicher) Sinn.
Wer nur auf dem Rücken der Gesellschaft sein eigenes (Rendite-)Süppchen kochen will, der wird über kurz oder lang auch seine wirtschaftliche Berechtigung verlieren und dessen Rendite geht dann zwangsläufig auch in den Keller.
Gerade in schwierigen Zeiten, in denen betriebswirtschaftliche Zwänge wirklich relevant werden, gerät die Branche in Gefahr, sich nur auf das eigene Überleben zu konzentrieren und den Sinn ihrer Existenz zu vernachlässigen. Der Niedergang vieler Groß-Institute sollte dafür als Mahnung dienen.
Die Sparkassen-Gruppe in Österreich hat in einer bemerkenswerten Marketing-Kampagne klare Position zu gesellschaftlichen Werten wie dem Schutz der individuellen Freiheit, der Meinungs- und Religionsfreiheit und der eigenen Mitverantwortung bezogen. Ich bewerte das nicht über, aber es ist ein Anfang. Es ist zu hoffen, dass diese Kampagne auch dazu führen wird, dass große Organisationen, wie es die Sparkassen in Österreich darstellen, diese Werte auch in jedem Einzel-Institut verankern und an jeden einzelnen Mitarbeiter herantragen, um ein Zeichen gegen gefährliche Entwicklungen in der Gesellschaft zu setzen.
Die Wirtschaft agiert nicht in einem moralischen Vakuum, d.h. jedes einzelne Unternehmen ist aufgefordert, sich seiner eigenen Existenzberechtigung bewusst zu werden und diesen Sinn auch spürbar im eigenen Unternehmen zu verankern.
Gerade für Bankmanager ist es eine große Herausforderung, die Rolle des eigenen Unternehmens als Nutzenstifter für die Gesellschaft über das Bereitstellen von Krediten und die Sicherstellung des Zahlungsverkehrs hinaus zu formulieren und zu kommunizieren. Die Maximierung der eigenen Rendite ist dafür ein schlechter Wegweiser.
Das rechtliche Problem der Bewertung von Fehlverhalten liegt ja vor allem darin, dass die Intention des Handelns der Beklagten selten klar dokumentiert ist. Umso wichtiger ist es, dass hinsichtlich des gesellschaftlichen Verantwortungsempfindens eines Managers keine Zweifel bestehen. Dies lässt sich zumindest indikativ an der Historie seiner getroffenen Entscheidungen ablesen.
Allen Bankmanagern, die jetzt vor schwierigen Entscheidungen stehen, z.B. Filialen zu schließen und Kapazitäten abzubauen, möchte ich die These an die Hand geben, dass gerade jetzt die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung besonders relevant ist, und sei es „nur“, um der eigenen Belegschaft zu verdeutlichen, dass das Kämpfen für die gute Sache lohnt. Wer den Sinn des eigenen Handelns erkannt hat, wer die eigene Mission kennt, der kann auch in schwierigen Zeiten mit Unterstützung von Kunden und Mitarbeitern rechnen. Das wäre doch schon mal was …..
Herzliche Grüße aus Brand
Hans-Dieter Krönung