#94 – Elon Musk – das Unternehmer-Idol

94_Elon Musk

„Es heißt, dass wir Könige auf Erden die Ebenbilder Gottes seien. Ich habe mich daraufhin im Spiegel betrachtet. Sehr schmeichelhaft für den lieben Gott ist das nicht!“

(Friedrich II. der Große)

Elon Musk Superstar, der reichste Mensch der Welt, der ultimative Unternehmer … Ich bin nicht sicher, aber ich vermute, dass es bereits mehrere Biographien über diesen Mann gibt, der die Welt nicht nur mit Elektro-Autos, sondern auch mit (bis jetzt) 12 Kindern beglückt hat. Ich bin auch sicher, dass es viele Top-Manager gibt, die diese Biographien gelesen haben, denn es ist ja wie ein Märchen, das wir über die letzten Jahre beobachten konnten.

Elon Musk hat gezeigt, dass Du nicht nur in Deiner Garage mit dem Lötkolben gebaute innovative Rechner oder mit dem Computer innovative Social Media-Angebote entwickelt haben musst, um steinreich zu werden. Nein, Du kannst auch mit innovativen Autos die etablierte Industrie aufmischen oder mit privaten Raketen den Weltraum erobern. Und wer zweifelt daran, dass der erste Mensch auf dem Mars Elon Musk heißen wird?

Da ist es nur folgerichtig gewesen, sich den Nachrichtendienst Twitter unter den Nagel zu reißen, um der Welt ungestört mitteilen zu können, welche weitreichenden und grundlegenden Gedanken in einem genialen Hirn entstehen. Und es hängen viele Menschen in vielen Märkten und Branchen an seinen Lippen. So, wie er es macht, muss es gehen, also ihm zuhören, ihn verstehen und von ihm lernen, heißt die Devise.

Elon Musk steht für das ultimative Unternehmertum: nicht zögern, sondern handeln, keine Rücksicht auf Hindernisse und auferlegte Schranken, konsequente Ausrichtung am wirtschaftlichen Erfolg! Vielleicht geht es Ihnen ja auch wie mir: Man fragt sich schon mehr als einmal, was man möglicherweise falsch gemacht hat, weil man bei weitem nicht so erfolgreich war (ist) wie dieser Mann.

Seit kurzem fühlt sich Elon Musk ja auch berufen, sich in politische und gesellschaftliche Debatten einzumischen. Wer so erfolgreich ist, kann schon zu der Selbsterkenntnis gelangen, zu allen denkbaren Fragen profunde Meinungen abgeben zu müssen. Wer sein „Gespräch“ mit Donald Trump verfolgt hat, versteht das Weltbild des Elon Musk ein gutes Stück besser. Da lobten sich zwei selbsternannte „Super-Unternehmer“ gegenseitig für ihren rüden Umgang mit streikenden Arbeitern und forderten von der Gesellschaft mehr „freie Fahrt“ zur Durchsetzung ihrer Interessen, getreu dem Motto: „Was wir machen, ist immer richtig!“.

Was können bzw. was wollen wir von Elon Musk lernen? Steht er vielleicht für ein neues Unternehmer-Leitbild?

Als erstes fällt mir der Vergleich mit dem Glücksspiel und den Casinos ein. Es kommt tatsächlich immer wieder einmal vor, dass Menschen durch Glücksspiel reich werden. Deren Prozentsatz im Vergleich zu allen Menschen, die regelmäßig an Glücksspielen teilnehmen, liegt im Promille-Bereich, d.h. wir sehen zwar (mitunter) die sehr raren Fälle von reich gewordenen Glücksspielern, nicht aber die Menschenmassen, die beim Glücksspiel nur Geld verloren haben. Nicht umsonst ist das Betreiben von Glücksspielen ein sehr lohnendes Geschäft für den Staat.

Elon Musk ist kein Unternehmer, sondern einer dieser rar gesäten hoch-erfolgreichen Glücksspieler. Es gibt viele wie ihn, die ihr Glück mit riskanten, innovativen Ideen versucht haben, die aber als „Unternehmer“, und mit dem Geld ihrer Investoren, untergegangen sind. Würde man eine Analyse machen, wie viel Kapital in vergleichbar vielversprechende Ideen wie in die von Tesla geflossen sind, aber vernichtet wurde, ich bin sicher, die Quote würde derjenigen entsprechen, wie sie zwischen Lotto-Millionären und dem Einsatz nicht-erfolgreicher Lotto-Spieler besteht. Elon Musk hat hoch gepokert und gewonnen; er ist ein (bislang) erfolgreicher Glücksspieler.

Was unterscheidet ihn von einem „richtigen“ Unternehmer? Zunächst einmal ist ein Unternehmen für einen Unternehmer kein „Projekt“, sondern eine Lebensaufgabe. Ein Unternehmer will etwas schaffen, das von Dauer ist, das nach Möglichkeit Generationen überlebt, weil es immer wieder Nutzen für seine Kunden schafft und sich dadurch seine Existenzberechtigung sichert. Ein Unternehmer sucht nicht den schnellen Gewinn, sondern sieht den Gewinn als Möglichkeit und Notwendigkeit, immer wieder in die Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens zu investieren. Ein Unternehmer versteht sein Unternehmen als einen lebenden Organismus, in dem Menschen sich wohlfühlen und einbringen sollen; insofern sieht ein Unternehmer in seinen Mitarbeitern vor allem das Potenzial, nicht den Kostenfaktor.

Wer solche Kriterien anlegt, kann Elon Musk nicht ernsthaft als „Unternehmer“ bezeichnen. Aber in unserer überdrehten Welt der schnellen Botschaften und Urteile tut sich wahres Unternehmertum schwer. Wir sind zunehmend Zeugen von schnellen Erfolgen, überdrehter Begeisterung und schnell sich einstellender Langeweile. In den „sozialen Medien“ wird über Nacht gehypt, weshalb alles Kontinuierliche dort überhaupt keine Erwähnung findet. Dies färbt auf viele andere Kommunikationsmedien ab und leider auch auf das Verhalten vieler Top-Manager. Man sucht den schnellen Erfolg, sucht dann aber sofort wieder ein neues „Projekt“ und zieht nach erfolgreicher Publicity weiter zum nächsten „Hotspot“.

Insofern ist der Hype über Elon Musk gewissermaßen ein Kind der Zeit, es entspricht dem Zeitgeist, sich mit diesem Menschen zu beschäftigen, weil er die Medien beschäftigt. Aber das gefährdet eher unseren wirtschaftlichen Wohlstand als dass es ihm nutzt, denn was wir mehr denn je brauchen, sind stabile, gut geführte und innovative Unternehmen, nicht noch mehr Glücksritter.

Vielleicht war es eine strategische Fehlentscheidung von Daimler Benz vor einigen Jahren, aus dem gemeinsamen „Projekt“ mit Elon Musk/Tesla ausgestiegen zu sein. „Wenn man vom Rathaus kommt, ist man schlauer“ ist ja nicht nur eine schwäbische Redensart. Jeder große Erfolg braucht auch das Glück, zur richtigen Zeit mit dem richtigen Produkt im richtigen Markt aufzutreten. Vielleicht war den Top-Managern bei Daimler Benz die schillernde Figur des Elon Musk zu fordernd, vielleicht aber auch nicht seriös genug. Vielleicht erkannten sie die Chancen nicht richtig; vielleicht erkannten sie aber auch die Risiken, mit einem solch extrovertierten Menschen dauerhaft seriös zusammenarbeiten zu sollen.

Im Moment ist Tesla der „wertvollste“ Automobilbauer der Welt, aber das Verhalten seines Gründers wirft erste Schatten auf den Aktienkurs. Noch honoriert der Kapitalmarkt die Innovation, die Tesla gebracht hat und die deutsche Automobilbauer ein gutes Stück weit verschlafen haben. Wir können heute nur darüber spekulieren, wo Tesla in fünf bis zehn Jahren stehen wird.

Elon Musk ist ja schon lange weitergezogen. Mit SpaceX hat er, im Wettbewerb mit anderen Selfmade-Milliardären, den Kampf um den Weltraum aufgenommen. Man darf gespannt sein, wie dieses Abenteuer enden wird.

„Glück gibt nie – es leiht nur“, lautet ein schwedisches Sprichwort. Die Geschichte ist voll von Menschen, die ihr anfängliches Glück überstrapaziert haben. Ich erinnere mich daran, dass es im „Manager Magazin“ über viele Jahre die Auszeichnung zum „Manager des Jahres“ gab. Zuletzt konnte man den Eindruck gewinnen, diese Auszeichnung wäre ein Menetekel, denn viele der Ausgezeichneten waren bald darauf ihren Job los.

Was wir also von Elon Musk lernen können, ist die Unterscheidung zwischen „Glücksritter“ und „Unternehmer“. Wir können uns ärgern oder vor Neid platzen, wenn wir einen Menschen beobachten, der sagenhaft reich geworden ist und über sein Social Media-Account abstruseste Botschaften aussendet, die uns an seinem Verstand zweifeln lassen. Wir können uns aber auch klarmachen, dass diese Figur für die meisten von uns kein Vorbild sein kann und wir uns deshalb das Geld für seine Biographie auch sparen können. Denn was sollten wir lernen können?

Noch einmal: Die Friedhöfe sind voll von Menschen, die genauso schlau und genauso verrückt waren wie Elon Musk, bei denen aber möglicherweise nur ein winziges Bausteinchen anders gefallen ist wie bei Elon Musk, weshalb sich niemand an sie erinnert.

Ich plädiere für ein anderes Lebensmodell, das des „Unternehmers“, ob in eigenverantwortlicher oder in eingebundener Rolle als Manager eines Unternehmens. Das bedeutet aber, sich bewusst von der Suche nach dem schnellen Erfolg zu verabschieden und sich stattdessen um den dauerhaften Mehrwert für die eigenen Kunden Gedanken zu machen.  

Der scheidende Vorstandsvorsitzende einer der größten Sparkassen in Deutschland wird mit den Worten zitiert: „Ich wollte nie woanders arbeiten!“, was, so meine Erfahrung, viele Vorstände von Regionalbanken auch von sich sagen würden. Diese Hingabe zur Aufgabe des Regionalbankers, diese Mission, ist ein wesentliches Merkmal unternehmerischen Denkens. Wem die eigene Regionalbank immer zu klein und das Kunden-Publikum zu bieder ist, der sollte zu den Glücksrittern wechseln, wie sie in Großbanken häufig anzutreffen sind.

Es kann ein großer Wert darin liegen, sich diese Unterscheidung zwischen den Modellen immer wieder deutlich zu machen. Es kann erfüllend sein, kontinuierlich an der Entwicklung der „eigenen“ Region zu arbeiten, weil man sich dem Glück der dort lebenden Menschen (und Unternehmen) verpflichtet fühlt. Es erfordert ein gänzlich anderes Wertesystem, regional zu denken und nicht von globalen Erfolgen zu träumen. Es ist kein Zeichen besonderer Intelligenz, riskante Geschäfte zu machen und ein „großes Rad“ zu drehen. Viele Banker, die viele von uns kennen, haben erfahren, dass nicht immer die Farbe kommt, auf die man gesetzt hat.

Noch mehr: Es gehört Begeisterung dazu, junge Menschen und Nachwuchs-Top Manager von der Faszination der Kontinuität zu überzeugen und zu beweisen, dass wahrer Erfolg im dauerhaften Überleben und der Fortführung und Weiterentwicklung der faszinierenden Idee der Regionalbank liegt und nicht im global geposteten Quartalserfolg.

Elon Musk kann uns auch dazu dienen, uns der Gefahren ungeeigneter Charaktere in Führungspositionen noch bewusster zu werden. Nicht jeder Kandidat, der auftritt, als hätte er das Bankgeschäft erfunden, kann dies im Alltag auch bestätigen. Ich kann aus vielen Beobachtungen berichten, dass sich überaus selbstbewusstes Auftreten und dauerhafter Erfolg häufig disproportional verhalten. Unternehmen brauchen keine Blender, sondern harte Arbeiter, die mit Empathie führen. Diese Menschen suchen idR. nicht das Rampenlicht, sondern überlassen anderen die Bühne. „Demut vor der Aufgabe ist keine Schwäche“, sollte man vielen Aufsichts- und Verwaltungsräten ins Stammbuch schreiben.

Nicht nur bei den Präsidentschaftswahlen in den USA, sondern überall in der Wirtschaft stehen sich „Substanz“ und „heiße Luft“ als alternative Leitmodelle gegenüber. Das Schrille und Aggressive erobert häufig die Bühnen und erhascht die Aufmerksamkeit, das Kontinuierliche aber bringt uns dauerhaft Sicherheit und Erfolg.   

Herzliche Grüße aus Brand

Hans-Dieter Krönung